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Warum zwei Wasserhähne in England am Waschbecken?

Wer schon einmal im Vereinigten Königreich unterwegs war, hat sich vielleicht gefragt:

Warum sind in britischen Badezimmern zwei Wasserhähne am Waschbecken angebracht?

In Deutschland sind wir es ja gewohnt, dass das labende H2O aus einem Hahn sprudelt – egal ob es sich um eine Zweigriffarmatur oder einen Einhebelmischer handelt.

In vielen englischen Haushalten kommen kaltes und warmes Wasser dagegen aus zwei getrennten Hähnen.

Alles über diesen englischen Sonderweg und seine Hintergründe erfahren Sie in diesem Artikel.

Gründe für die zwei Wasserhähne in Großbritannien

Im Internet kursieren viele Gerüchte um die Frage, warum die Briten zwei Wasserhähne verwenden.

Soll der abrupte Wechsel aus eiskaltem und kochend heißem Wasser den Charakter bilden und zur charakteristischen „Stiff upper Lip“ beitragen?

Oder sind getrennte Hähne ein Beispiel für den britischen Sonderweg?

Werden sie in Zeiten des Brexit gar ein Revival erleben, um Kontinentaleuropa zu zeigen, wie man sich richtig die Hände wäscht?

Neben diesen Spekulationen gibt es allerdings zwei handfeste Gründe, warum sich getrennte Wasserhähne so häufig im Königreich finden:

1. Kostengrund

Die meisten Häuser im Vereinigten Königreich stammen aus dem späten 19. oder frühen 20. Jahrhundert.

Relativ früh wurden dort Kaltwasserleitungen installiert, die an die Haupt-Wasserversorgung angeschlossen waren.

Da der Wasserdruck aber oft nicht ausreichte, um Wasser von der Hauptleitung in das ganze Haus zu bringen, wurden in vielen Häusern Wasserspeicher auf dem Dachboden installiert.

Als dann warmes Wasser in Mode kam, wurden die Boiler meist aus diesem Speicher gespeist.

Anders als die Kaltwasserleitungen waren die Warmwasserleitungen für einen wesentlich geringeren Druck ausgelegt – manchmal nur 0,5 Bar.

Wollte man also später auf eine zentrale Warmwasserversorgung umsteigen, hätte man all diese Rohre austauschen müssen – zusätzlich zu den Waschbecken.

Mischarmaturen waren außerdem noch vor ein paar Jahrzehnten deutlich teurer als zwei getrennte Wasserhähne.

Dieser Grund ist nicht auf das Vereinigte Königreich beschränkt. Auch in der ehemaligen DDR waren getrennte Wasserhähne gang und gäbe.

2. Hygienischer Grund

Vor dem Aufkommen der zentralen Warmwasserversorgung wurde das Warmwasser meist in einem drucklosen Tank auf dem Dachboden gelagert.

Da das Wasser in diesen Tanks oft lange Zeit stagnierte, konnten sich Rostablagerungen bilden – genau wie Keime und Bakterien, die man nicht im Trinkwasser haben wollte.

Zwar sind die Zeiten, als sogar tote Ratten im Warmwassertank zu finden waren, Gott sei Dank vorbei.

In vielen Haushalten ersetzt nun außerdem ein Boiler, der sich aus der Hauptleitung speist, den Tank.

Doch noch heute gilt nur das Nass aus dem kalten Hahn in England als einwandfreies Trinkwasser.

Vor- und Nachteile der zwei Hähne

Ein großer Nachteil wird jedem schnell ersichtlich, der die Hand unvorsichtig unter den linken Hahn hält: Das Wasser ist nicht nur warm, sondern richtig heiß – logisch, prangt doch meistens „hot“ als Aufschrift auf dem Hahn.

Darum sieht auch das Händewaschen im Land der Queen etwas anders aus als in Deutschland.

Um sich nicht zu verbrühen, kann man z. B. beide Hähne aufdrehen und die Hände abwechselnd unter den warmen und kalten Strahl halten.

Eine weitere clevere Lösung ist es, den Stöpsel zu betätigen und Kalt- und Warmwasser im gewünschten Verhältnis ins Waschbecken einzulassen. Schon haben Sie ein wohltuend temperiertes Bad für die Hände.

Natürlich hat die Zwei-Hähne-Lösung auch Vorteile: Wenn Sie das Wasser erst im Waschbecken vermengen, geht weniger vom kostbaren Nass verloren als bei Mischarmaturen.

Außerdem können theoretisch zwei Personen das Waschbecken benutzen.

Benötigen Sie heißes Wasser zum Rasieren, kann sich Ihre Ehegattin z. B. ein Glas kaltes Trinkwasser einschenken. Mit einer deutschen Armatur wäre das nicht möglich.

Warum ist der Warmwasserhahn in England links angebracht?

Eine offizielle Empfehlung aus den 1960er Jahren besagt, dass der warme Wasserhahn immer links eingebaut werden sollte.

So sollen Menschen mit Sehbehinderung wissen, welchen Hahn sie aufdrehen müssen. Und auch wenn die blau/roten Schutzkappen einmal abfallen, besteht keine Gefahr einer Verwechslung.

Die Anordnung hat wie so oft etwas mit Gewohnheit zu tun: Die meisten Engländer sind Rechtshänder, und der Kaltwasserhahn wird im Durchschnitt häufiger aufgedreht als sein Warmwasser-Pendant.

Darum befindet er sich standardmäßig auf der rechten Seite des Waschbeckens.

Gibt es in England Mischarmaturen?

Auch wenn sich getrennte Hähne noch oft im Königreich finden, gibt es doch Briten, die neidisch über den Ärmelkanal spähen und sehen, wie komfortabel Kontinental-Europäer ihr Wasser zapfen.

Wer in den Genuss einer Mischarmatur kommen möchte, kann sich mit folgendem Trick behelfen:

Man nehme eine leere Plastikflasche und schneide zwei Löcher hinein, sodass die Flasche auf die zwei Wasserhähne passt. Nun noch ein Loch in die Mitte – und fertig ist der improvisierte Wassermixer.

Natürlich gibt es auch professionelle und optisch hübschere Lösungen von Firmen wie Retromixer.

Diese werben vor allem damit, dass der Wasserverbrauch um fast die Hälfte reduziert wird. Vom Prinzip her funktioniert das Produkt jedoch genau so wie die Lösung mit der Flasche.

Außerdem wird in vielen neuen Häusern eine zentrale Warmwasseraufbereitung im Keller installiert.

Sind alle Rohre für denselben Druck ausgelegt, steht auch einer modernen Mischarmatur nichts mehr im Wege.

Dennoch: Die Warnung „Nie warmes Wasser trinken!“ hat sich bei vielen Engländern seit Kindesbeinen eingeschärft.

Immer noch berichten viele Besitzer moderner Warmwasserspeicher, sie würden das kalte Wasser vor dem Trinken ein paar Sekunden laufen lassen – nur um auf Nummer sicher zu gehen.

Wo gibt es noch getrennte Wasserhähne?

Großbritannien ist nicht das einzige Land mit der Zwei-Hahn-Lösung. Diese Form der Armatur findet sich außerdem in folgenden Ländern – wenn auch seltener:

  • Australien
  • Neuseeland
  • USA
  • Irland
  • Kenia

Diese (unvollständige) Liste zeigt: Wenn Sie in einem Mitgliedsstaat des Commonwealth oder einer ehemaligen Kolonie unterwegs sind, stehen die Chancen gut, auf zwei separate Wasserhähne zu stoßen – besonders wenn es sich um alte Bausubstanz handelt.

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